Dr.Groove's Märchenstunde - Wann macht Watt wat kaputt ?

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Jeder in der Szene kennt das Problem : Der 500-Watt-Bass macht keinen Muckser mehr - der Verstärker hatte aber bloß 200 Watt ! Ein Fall für die Garantie-Abteilung ? Leider nur selten ! Aber ein Fall für eine Nachhilfestunde in die Welt der Lautsprecherkunde, gemeinerweise auch „Bierdeckelphysik” genannt... ( Häh...?). Jawoll, im Grunde genommen ist ein Laut­sprecher nichts anderes, als ein sehr schnell zappelnder Bierdeckel mit elektromagneti­schem Antrieb und geringem Wirkungsgrad.
   
Unter dem Wirkungsgrad ist das Verhältnis von Nutzleistung (Schall) zu Verlustleistung (Wärme) zu verstehen. Hier in der Grafik ist dieses Ver­hältnis (Licht zu Wärme) am Beispiel einer alten herkömmlichen Glühbirne dargestellt. Es beträgt gerade mal 5 zu 95 Prozent. Bei Lautsprechern ist das Verhältnis leider noch schlechter: Nur ein halbes bis maximal 3 Prozent der zugeführten Leistung werden in Schalldruck umgesetzt, der Rest ist Hitze, die die Schwingspule zur Verzweiflung bringt.
Das bedeutet, dass von den Anfangs erwähnten 200 Watt nur etwa 5 Watt in Schalldruck umge­setzt werden, die restlichen 195 Watt aber mächtig Wärme in der Schwingspule erzeugen. 200 Grad sind da schnell erreicht und über­schritten (Wer mal eine 100 Watt Glühbirne im Betrieb angelangt hat, weiß wovon ich rede)! Ergo: Hitze ohne Ende bei wenig Chancen, wirklichen Schalldruck zu machen ! Ja, aber die Hersteller haben doch Leistungs­angaben gemacht. Sind die denn falsch ?
   
Abgesehen von der Tatsache, daß die Hersteller zu Werbezwecken gerne maßlos übertreiben, wegen verschiedener Messnormen sind sie nicht direkt vergleichbar (Sinus-, Musik-, Spitzen-, Impuls-, RMS-Leistung und... und... und).
Hier eine kleine Faustformel zur Überprüfung der Verstärker-Dauerleistung: Gesamtwert (Ampere) der Sicherung(en) mal 13, durch 3 teilen (Nutz­anteil), durch die Anzahl der vorhandenen Kanäle teilen. Beispiel: 20 mal 13 durch 3 durch 4 gleich 21,5 Watt pro Kanal.
Uns interessiert hier nur die Norm zur Messung von Lautsprechern. In der DIN 45573 ist das Messverfahren zur Belastbarkeit von Lautsprechern geregelt. Man erzeugt ein Rauschsignal ( hat nichts mit Schnaps zu tun !) mit unterschiedlich hohen Pegeln (hat auch nichts mit Schnaps zu tun !) bei verschiedenen Frequenzen. Diese Verteilung entspricht der statistischen Verteilung bei normaler(!) Musik.    
Der Testlautsprecher wird mit diesem Signal und der zu prüfenden Verstärkerleistung belastet. Eine Minute lang. Dann zwei Minuten Pause (zum Abkühlen). Dann wieder eine Minute Rausch­signal. Und wieder zwei Minuten Pause. Das ganze wird 300 Stunden (sind über 12 Tage) durchgezogen. Mit diesem Test wird die Nennbelastbarkeit ermittelt.
Damit ist aber nur eines erwiesen : Der Lautsprecher kann dieses spezielle Rauschsignal problemlos ertragen. Stundenlang. Tagelang. Solange er nach 1 Minute Betrieb 2 Minuten Pause bekommt. Wer hört aber schon gern „Rosa Rauschen” im 3 Minuten-Takt ? (Selbst im Vollrausch macht es keinen Spaß). Die heutige Musik basiert außerdem auf einer ganz anderen Energiedichte im Bassbereich !    
Schwarze Bässe, speziell aufbereitet und hochkomprimiert, 120 mal pro Minute mit Maximaldruck, und das ohne Pause ! Und was die Sache noch riskanter macht: Oft werkeln hier billige „Möchte-gern-Verstärker” mit Aufdruck 1000 Watt aber in Wirklichkeit viel geringerer Leistung (meist etwa 80 Watt, siehe oben), die völlig übersteuert reine Rechtecksignale (Clipping) liefern.
Die nächste Todesursache für Chassis ist der falsche Gebrauch der Klangregler oder gar der Loudness-Taste. Bei einer relativ geringen Anhebung des Bassreglers (ca. 6 dB, der gesamte Regelbereich liegt bei etwa 18 dB) muß der Verstärker bereits die doppelte Leistung abgeben, ohne daß die Lautstärke dabei spürbar zunimmt ! Wer den Schalldruck im Bassbereich durch Anheben des Bassreglers hörbar verdoppeln will, verlangt von seinem Verstärker eine verZEHN-fachung der Leistung ! Da sind die Leistungsgrenzen kleiner Verstärker schnell erschöpft und das mörderische Clipping setzt ein.    
Für den Laien erstaunlich aber wahr: Große Verstärker, die mehr Leistung abgeben können, als der Lautsprecher Belastbarkeit besitzt, beschädigen nur selten ein Chassis ! (Beispiel siehe Foto links). Solange ein Lautsprecher keine mechanischen Geräusche von sich gibt, besteht nämlich noch keine Gefahr. Ein kleiner Verstärker mit nur 20 Watt Leistung, völlig in die Über­steuerungsgrenze gefahren, kann aber durch das sogenannte Clipping sehr wohl auch Lautsprecher verbraten, die eine mehrfach höhere Belastbarkeit besitzen !
Fazit :

• Um die thermische Belastbarkeit eines Lautsprechers richtig einzuschätzen, traut man lieber nicht der aufgedruckten Wattzahl, sondern man schaut auf den SCHWINGSPULEN-DURCHMESSER ! Dazu hinter der Membran die Stelle betrachten, wo Membrane und Schwingspule im Spider eingeklebt sind. Gute Werte sind bei Coax und 2-Weg-Systemen 25-37 mm Durchmesser, bei Bässen 50-100 mm Durchmesser. Je größer, desto höher liegt die zu erwartende Belastbarkeit !

• Ein kräftiger, hochwertiger ( und damit leider auch teurer ) Verstärker ist die beste Investition in die Lebensdauer der Lautsprecher und ganz nebenbei in die Klangqualität einer Anlage !

• Finger weg von der Klangregelung und besonders der Loudness-Taste ! Richtige Klangbalance mit hoher Lebensdauer erreicht man am Besten im Aktivbetrieb (mehrere Endstufen/-Kanäle mit Aktivweiche). Damit werden die Lautstärke­verhältnisse der einzelnen Lautsprecherbereiche sauber und verzerrungsfrei eingestellt, denn merke: Solange ein Basslautsprecher sauber und unverzerrt klingt, solange ist nichts zu befürchten - auch bei großen Verstärker-Monstern !

• Und nicht zu vergessen: Nur richtig eingebaut kann der Lautsprecher seine Maximalleistung erreichen. Also immer ein stabiles und luftdichtes Gehäuse verwenden, und vom Hersteller empfohlenes Volumen und Bauprinzip einhalten.